Auf Phileas Blog wurde kürzlich die Frage aufgeworfen, ob engagierte Literaturblogger (ab wann gilt man als engagiert?) für das, was sie tun – nämlich Verlagen mit ihrer Leidenschaft eine kostengünstige Werbeplattform zu bieten – nicht auch entlohnt werden sollten. Diese Diskussion ist nicht neu und blickt man auf Blogger anderer Branchen, scheint die Frage wenigstens nicht aus der Luft gegriffen. Die ZEIT beschäftigte sich vor einigen Wochen mit der Frage “Kann man davon leben?” und ließ mehrere Modeblogger dazu Stellung nehmen. Nun gilt es eigentlich seit jeher als wenigstens unfein, über Geld zu sprechen und gerade in der Literaturblogszene, die sehr klein und überdurchschnittlich gut vernetzt ist, wäre es in den Augen vieler ein Unding, für seine Tätigkeit bezahlt werden zu wollen. Häufig wird entgegnet, dass Rezensionsexemplare bereits eine Be – und Entlohnung darstellten, darüber hinaus noch eine monetäre Zuwendung zu erwarten, sei schon nahezu raffgierig und bodenlos frech. Und tatsächlich: Literaturblogger schreiben nicht über exklusive Artikel, die sich Otto Normalverbraucher erst mühsam vom Mund absparen muss. Bücher sind, sofern es sich nicht um bibliophile Prachtbände handelt, im Gegensatz zu Markenkleidung, omnipotenten technischen Geräten oder der ein oder anderen Reise um den Globus, eigentlich ziemlich erschwinglich. Der Blogger ist nicht auf Rezensionsexemplare angewiesen, um seiner Tätigkeit nachzugehen – auch wenn sie fraglos einiges erleichtern.
Blogger haben einen Trumpf – ihre Glaubwürdigkeit.
Gute Blogs haben ein besonderes Fundament und einen Trumpf, der sie von anderen Medien abhebt: Sie gelten als besonders glaubwürdig, da hinter ihnen in der Regel eben keine Konzerne, Firmen oder finanzielle Interessen stehen. Hinter ihnen steht ein Mensch – oder eine kleine Gruppe von Menschen -, den eine Leidenschaft treibt. Und der unbedingte Wunsch, diese Leidenschaft mit anderen zu teilen, meistens relativ uneigennützig und selbstgenügsam. So mancher erachtet bereits die Arbeit mit Rezensionsexemplaren für einen Pakt mit dem Teufel. Wer Rezensionsexemplare annehme, binde sich an einen Verlag, gehe Verantwortlichkeiten ein, die ihn dazu verpflichten, das Buch mit anderen Augen zu lesen als er es täte, wenn er selbst dafür bezahlt hätte. Beteuerungen vieler Blogger, dass sie auch Rezensionsexemplare negativ besprechen (oder im Zweifelsfalle gar nicht, wenn der Verlag das zulässt und den Erhalt an keinerlei Bedingungen knüpft), stoßen oft auf taube Ohren. Was würde es also für die Glaubwürdigkeit und Authentizität eines Literaturbloggers bedeuten, wenn deutlich wäre, dass er für seine Buchempfehlungen (oder -verrisse) bezahlt würde? Und noch viel wichtiger: Wer sollte eine solche Bezahlung übernehmen? In der Regel bezahlt für eine Dienstleistung der Auftraggeber, doch wie absurd und gefährlich wäre es, Verlage für ihre eigenen Besprechungen zahlen zu lassen? Wie schnell wäre ein Blogger dann plötzlich der Haus – und Hofblogger eines Verlages? Ähnliche Fragen warf auch die Diskussion in Phileas Blog auf.
Literaturblogs haben eine sehr geringe Reichweite und zu wenig Pageviews
Während in Deutschland die Bloggerrelations gerade in der Buchbranche erst in den letzten Jahren so richtig entdeckt werden, gehören Blogs andernorts bereits zu den etablierten Medien. Wie sieht es in anderen Ländern mit den Buchbloggern aus? Eine kleine Recherche brachte mich zu dem Artikel: “Can you make money from book blogging?“, der auf sehr dezidierte Weise verdeutlicht, dass die Antwort darauf wohl auch anderswo ganz klar “Nein” lautet. Aus verschiedenen Gründen, die in Deutschland dieselben zu sein scheinen wie in England (die Bloggerin des verlinkten Artikels lebt in England und stammt aus Amerika). Zunächst einmal haben Literaturblogger, im Gegensatz zu Bloggern des Food-, Travel – oder Modesektors eine viel zu geringe Reichweite, viel zu wenige Pageviews, um mit irgendeiner Form des Marketings eine nennenswerte Summe zu verdienen. Während etablierte Modeblogs gut und gern auf 100.000 Pageviews monatlich kommen, rangieren die meisten Literaturblogger zwischen 6000 und 9000. Nicht einmal ein Zehntel dessen, was so mancher Modeblog generiert.
Literaturblogger lesen sich gegenseitig, generieren wenig Zugriffe außerhalb der Blogosphäre
Als Literaturblogger weiß man, dass viele Leser des eigenen Blogs selbst über Literatur bloggen. Überhaupt gibt es eine derart unüberschaubare Zahl an Literaturblogs, dass ein Blogger, der plötzlich um eine Entlohnung seiner Tätigkeit anfragte, vermutlich sofort mindestens ausgelacht, wenn nicht künftig gemieden würde. Wenn einer Geld dafür will, geht man eben zum nächsten, es herrscht ein Überangebot, der Literaturblogmarkt ist gesättigt. Die oben erwähnte Bloggerin von Nose Graze widmet sich darüber hinaus auch den Möglichkeiten des Affiliate Marketing (das Verlinken zu anderen Seiten, auf denen man die besprochenen Bücher erwerben kann). Das geschieht meistens mit sogenannten Affiliate-Links, die in den Blog eingebunden und auch nur von dort abrufbar sind. Liest jemand auf dem Blog eine Rezension und ist an dem Buch interessiert, kann er es gleich (nach einer Anmeldung im betreffenden Onlineshop z.B.) auf der verlinkten Seite bestellen und der Blogger erhält eine geringe Provision für den Verkauf. Weshalb funktioniert das innerhalb der Literaturblogszene nicht? Amy von Nose Graze hat darauf verblüffend einfache Antworten:
1. wenn die meisten Leser von Literaturblogs selbst Literaturblogger sind, haben auch sie die Möglichkeit, Rezensionsexemplare zu bestellen. Wer sollte also unter diesen Umständen via Affiliate-Link einen Kauf tätigen, wenn er das Buch doch umsonst zur Besprechung anfordern kann?
2. Viele lesen Rezensionen erst dann, wenn sie das Buch selbst gelesen haben. Oft genug hört man Aussagen wie: “Ich lese keine Besprechungen, bevor ich mir selbst ein Bild gemacht habe. Ich will mir selbst ein Urteil bilden.” Das führt zu dem simplen Ergebnis, dass sich das Buch, wenn Rezensionen gelesen werden und auf den Affiliate-Link geklickt werden könnte, bereits im Besitz des Lesers befindet.
3. Bei den meisten Affiliate-Links besteht keine Möglichkeit, das Buch mit einem Klick zu kaufen. Manchmal liest man eine Rezension vielleicht unterwegs, auf dem Smartphone und nimmt sich vor, das Buch zu einem späteren Zeitpunkt gezielt im Netz zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Leser schon nicht mehr auf den Affiliate-Link angewiesen, er wird eigenständig fündig, in Onlineshops oder beim Buchhändler seines Vertrauens. Oder gar in der Bibliothek um die Ecke.
Ähnlich verhält es sich mit Werbung ganz allgemein, die irgendwo auf dem Blog platziert ist. Selbstredend könnte man auch seine Leser darum bitten, eine Kleinigkeit zu spenden. Schließlich verursacht die Instandhaltung eines Blogs auch die einen oder anderen Kosten, je nachdem, wie professionell man das Bloggen betreiben möchte. Doch in einer Zeit, in der überall kostenlos Informationen abgerufen werden können, würde wohl niemand einem Literaturblog Geld spenden, ganz gleich, wie hochwertig die abrufbaren Informationen auch sein mögen. Auch hier gilt: Wenn ich auf Blog X nicht fündig werde, suche ich Blog Y.
Lesen ist noch immer eine Nischentätigkeit
Last but not least: Die traurige Erkenntnis, dass Lesen zwar die schönste Nebensache der Welt ist, aber das nur für eine verschwindend kleine Gruppe, gemessen an der Gesamtbevölkerung. Zwar mag das, wenn man sich das Netz durch die eigene Filterbubble betrachtet, manchmal ganz anders aussehen, doch die meisten Menschen ziehen bedeutend mehr Freude und Erfüllung aus schönen Kleidern, technischem Schnick Schnack, Filmen oder Games. Das ist mitnichten ein kulturpessimistischer Abgesang, es verhielt sich wohl zu keiner Zeit viel anders als heute. Das schmälert nicht unser Vergnügen an Lektüre, verweist es aber eher auf einen der unteren Plätze, wenn es um beliebte Freizeitbeschäftigungen geht. Kein Wunder also, dass ein Literaturblogger niemals die Reichweite erzielen könnte, die notwendig wäre, um nennenswerte Summen zu verdienen. Wenn er das denn wollte. Denn vielen ist die Beschäftigung mit Literatur, der Austausch mit anderen, das Netzwerken und Empfehlen Freude genug, ohne, dass es dafür noch einen gesonderten finanziellen Anreiz bräuchte. Und so ist es wohl relativ sicher, dass das leidenschaftliche Literaturbloggen auch weiterhin eine Tätigkeit sein wird, mit der man weder Zubrot noch Lebensunterhalt verdienen kann. Durch einen etablierten Blog kann man Kontakte knüpfen, die einen früher oder später in Lohn und Brot bringen, wenn man Glück hat. Man kann ein eigenes Business anschieben und den Blog als Multiplikator nutzen. Wer eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, dem fällt es nicht schwer, Interessenten für eine, dem Zielpublikum angemessene, Geschäftsidee zu finden. Und vielleicht ist es auch ganz gut so, dass das Schreiben über Bücher weiterhin unabhängig bleibt, frei von ökonomischen Zwängen und Gefälligkeiten. Einfach, weil es schön ist, bereichernd und wertvoll.
Quelle: http://literatourismus.net/2015/02/geld-verdienen-mit-buchblogs/