Lebensphilosophie:
Als „Nachkriegskind“ 1947 im Herzen des Ruhrgebiets geboren, haben mich zwei Faktoren wesentlich für mein Leben geprägt – eine lebenslange Auseinandersetzung, ein Kampf mit meinem und gegen meinen nationalsozialistisch geprägten Vater, sein Umfeld, seine starre Haltung einerseits, die pragmatische und zupackende Lebensbejahung und Lebensphilosophie unserer Nachbarn, der Bergleute und Arbeiterfamilien, die mit teils derbem Humor, Fleiß und Pflichtbewusstsein ihr nicht ganz bequemes Leben zu gestalten suchten, andererseits. „Wenn dir was nicht passt, quassel nicht soviel, mach was dagegen“, das schien mir ihre Lebensphilosophie gewesen zu sein, sie ist auch ein Stück weit meine.
Spannung:
Das Leben ist für mich das Spannendste überhaupt. Deswegen mag ich keine abgehobene, „experimentelle“, „moderne“ Wolkenkuckkuckspoesie, sondern lebensnahe, verständliche Lyrik, die die Lebenswirklichkeit kritisch, wieder erkennbar und am besten mit einem humorvollen Augenzwinkern beschreibt und dem Leser Anregung zum Nachdenken und oft auch zum Schmunzeln liefert.
Was schreibe ich lieber?Prosa oder Lyrik? Spontan?
Ich bin bis jetzt bei zwölf Kurzgeschichten, 3 oder 4 Glossen, einer längeren Erzählung, drei gescheiterten Versuchen eines autobiografischen Romans und bei ca. 395 Gedichten angekommen. Meine Gedichte fallen mir oft spontan ein, nach den Nachrichten, dem Lesen eines Artikels, in der Badewanne, nach einem guten Gespräch oder mitten in der Nacht, wenn ich aufwache. Mit meinem autobiografischen Roman quäle ich mich, weil ich immer das Gefühl habe, dass meine Erlebnisse als „Nazikind“ und später als Offizier in der Bundeswehr zwar ganz interessant für mich waren, aber für viele Leser deswegen noch lange nicht interessant sein müssen.
Ich wollte nie Schriftsteller werden (und bin es auch heute noch nicht)
Mit dem Schreiben habe ich im Jahr 2000 nach meiner Pensionierung angefangen, als ich beim DRK in Köln bei „Essen auf Rädern“ warme Mahlzeiten und Tiefkühlkost zu älteren Menschen gefahren habe. Damals ist meine erste Kurzgeschichte „Ein Kessel Buntes“, heute abgedruckt in „Mensch, Michel!“, entstanden. Als ich bemerkte, dass es auch im zivilen Lebensbereich Menschen gibt, deren Kasernenhofton einem Obergefreiten alle Ehre machen kann, habe ich den Job beim DRK wieder aufgegeben. Schriftsteller wollte ich und will es nie werden,aber ich kann mir momentan nicht vorstellen, wie ich meinen Ruhestand sinnvoller verbringen könnte als mit dem Schreiben von Gedichten.
Tagesrhythmus
Ich beginne sofort mit dem Schreiben, wenn Kopf und „Bauch“ etwas hergeben. Das kann zu jeder Tages- und Nachtzeit sein. Ich höre erst auf zu schreiben, wenn ein erster Entwurf fertig ist. Nach einer gewissen Zeit, mindestens einem Tag oder einer Nacht, schaue ich mir mein Machwerk noch mal an und überarbeite es.
Entstehungsprozess
Bei Gedichten passiert es manchmal, dass beinahe das gesamte Gedicht fertig in meinem Kopf ist. Bei vielen meiner Gedichte ist zunächst die Grundidee vorhanden, Verse, Strophen entwickeln sich beim Schreiben. Von manchen Pointen am Ende eines Gedichtes werde ich oft selbst überrascht. Bei meinen Kurzgeschichten habe ich alles im Kopf, weil die Geschichten alle auf vorangegangenen Erlebnissen basieren. Ein Entwicklung von Charakteren erübrigt sich, weil sie ja real existieren, ich sie nicht erfinden muss. Das gilt auch für meinen Romanversuch.
Lassen dich Charaktere/ Handlungsstränge überhaupt los, etc.?
Viele meiner Gedichte sind nicht schöngeistiger oder romantischer Natur, sondern sie thematisieren Vorgänge in der Politik, in der Gesellschaft. Mich beschäftigen Ereignisse wie der Afghanistankrieg, – zukünftig wohl andere Kriege -, Missbrauchsfälle in der Kirche und anderswo, Phänomene wie Machtmissbrauch, Propaganda und Desinformation in unserer Gesellschaft. Solche Dinge lassen mich häufig kaum los, jedenfalls brauche ich oft Tage, manchmal Wochen, um von den Dingen Abstand zu gewinnen.
Wann zeige ich mein Werk zu ersten Mal jemandem, etc.?
Ich zeige meine Texte meiner Lebenspartnerin, meinem besten Freund, wenn ich den Eindruck habe, dass der Text einigermaßen fertig und vorzeigbar ist. Im Eifer des Gefechts unterlaufen mir fast immer kleinere oder auch größere gedankliche Fehler oder schlichte Fehler in der Metrik oder Grammatik. Ich bedaure sehr, dass mein Verlag so klein ist, dass er sich einen Lektor/eine Lektorin nicht leisten kann. Manche meiner Gedichte in meinen Bücher haben deswegen manchmal ein Komma zu viel oder zu wenig. Ich finde das ganz furchtbar, weil ich ein unverbesserlicher Perfektionist bin. Im Übrigen, wer sich nichts sagen lässt und seine Werke für perfekt und unangreifbar hält, der darf getrost mal einen Psychiater aufsuchen. Spaß beiseite, ich halte die Prüfung eines Textes durch eine andere Person für nützlich und unverzichtbar.
Tage an denen ich nichts schreibe etc……
Ja, es gibt Tage – viele Tage – an denen ich nichts schreibe. Und es gibt Zeiten, an denen ich vom Computer kaum wegkomme. Das gilt vor allem für den Romanversuch. Ich sehe das aber ganz undramatisch. Mein Sendungsbewusstsein, also der Drang, der Menschheit eine überragende, noch nie erkannte Weisheit zu hinterlassen, ist relativ gering ausgeprägt. Zudem muss ich nicht meinen Lebensunterhalt mit der Schreiberei verdienen.
Womit schreibst du, etc?
Es gibt und gab Situationen, da war ich sehr froh, das meine Lebenspartnerin einen Bleistift und ein Stück Papier zur Hand hatte. Ich erlaube mir, ein Beispiel zu nennen. Der kleine Vierzeiler ist in einem Zugabteil entstanden, als das Sonnenlicht so schräg auf mein Gegenüber – eine ältere Dame – fiel:
Schadenfreude
Seh‘ ich im hellen Sonnenschein
die Krampfadern an deinem Bein,
dann bin ich froh und amüsiert,
dass mir so ‚was noch nicht passiert.
Schreibblockaden.. etc.
Ich empfinde schon den Begriff “ Schreibblockade“ als kontraproduktiv. Ich meine, ein Schreiber, Autor, Dichter sollte ganz gelassen damit umgehen, dass er mal nicht kann. Es ist allemal besser, geduldig zu warten, bis einem wieder etwas einfällt, als sich hinzusetzen und zwanghaft ein Gedicht oder einen Text schreiben zu wollen.
Liest du viele Bücher, die….
Offen gestanden, nein… Ich habe ein wenig Sorge, wenn ich Busch, Loriot oder Rilke lese, dass ich dann unbewusst beginne zu kopieren oder meinen eigenen Stil nicht finde. Es ist mir schon passiert, dass mir Zuhörer das Kompliment machten, „Ihre Gedichte erinnern mich an…“. Darüber kann ich mich nicht immer freuen.
Ich habe keine Lieblingsautoren, aber Böll, Lenz, ein Buch wie Ansichten eines Clowns oder „das Feuerschiff“, von Heinrich Mann “ Der Untertan“ – das sind schon beeindruckende Werke für mich.“Die Buddenbrocks“ habe ich in die Ecke geworfen, nachdem ich die ersten sechs Seiten mit der Beschreibung des Sofas und dem gelben Kissen im Haus des Senators gelesen hatte.
Lässt du dich von Medien inspirieren?
Sie inspirieren mich nicht, sie provozieren mich in den meisten Fällen.
Vielen Dank, Herr Wick!
Mehr auf der Homepage:
http://www.hdieterwick.de
Für den Schnelleinstieg zu seinen Veröffentlichungen:
http://www.hdieterwick.de/buecher.html
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